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Gesundheitsschutz an den Schulen, bei denen Kempten Sachaufwandsträger ist, auch über Zweckverbände; Gesundheitsschutz bei Vereinstätigkeiten

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kiechle,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Knoll,
sehr geehrte Damen und Herren,

 

besten Dank für die Rückmeldung auf den von mir und Herrn Hofer gestellten Antrag vom 21. Juni 2020.

Aus der Auflistung geht hervor, dass von den Schulen bei denen die Stadt Kempten direkt der Schulaufwandsträger ist, 6 eine durchgehend durch eine Raumluftanlage belüftet werden, 4 teilweise über ein RLT verfügen und 9 über keine RLT aufweisen. D.h. der überwiegende Teil der Schulen muss auf eine Lüftung durch das Öffnen der Fenster zurückgreifen.

Schulen über die die Stadt Kempten indirekt Schulaufwandsträger ist, d.h. über Zweckverbände, sind nicht aufgeführt.

Anschaulich zeigt die nachfolgende Animation die schnelle Entwicklung in einem unbelüfteten Raum auf: https://zdfheute-stories-scroll.zdf.de/aerosole-klassenzimmer-corona/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE  (vom 21.08.2020). Dabei zeigt sich eine überaus schnelle Viren-/Aerosol-Verbreitung in der Raumluft allein durch die Körperwärme der im Raum befindlichen Person/Personen, trotz gekipptem Fenster. Binnen zwei Minuten sind die Aerosole im gesamten Raum verteilt obwohl gekippte Fenster zur Lüftung beitragen sollen: Eine weitere Animation finden Sie hier: https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/profil/pressemitteilungen-nachrichten/2020/august/coronavirus-richtig-lueften-will-gelernt-sein/ vom 7.8.2020

In Anbetracht der Zahlenwerte der Dokumentation „Corona-Risiko im Klassenzimmer“ des ZDFs erscheint eine Maßgabe nur alle 25-30 Minuten durchzulüften als wenig erfolgreich beim Ziel das Infektionsrisiko zu minimieren.

Inwiefern sich Aerosole in der Raumluft halten können hängt sehr stark von der Luftfeuchtigkeit ab. CO2-Ampeln messen dahingegen die Konzentration von CO2 in der Luft. Luftfeuchtigkeitsgehalt und CO2-Gehalt in der Raumluft korrelieren jedoch nicht immer und lassen keinen direkten Schluss auf das jeweils andere zu. Das Messen der Luftfeuchtigkeit in der Raumluft ergibt eher Aufschluss darüber ob die Luft noch in der Lage ist die zusätzliche Feuchtigkeit durch Wasseraerosole aufzunehmen und damit eine Virusübertragung eingeschränkt werden kann.

Grundsätzlich führt eine aktive Lüftung mittels einer Raumluftanlage inkl. Wärmetauscher zu einer intensiv verbesserten Raumluftqualität inkl. reduzierter Luftfeuchtigkeit und geringen CO2-Gehalt. Dies ist auch bei unsanierten Bestandsgebäuden der Fall.

Prinzipiell sollte das Ziel aller sein, dass schulische Veranstaltungen, Vereinsaktivitäten und alle anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen zu keinen Risikoveranstaltungen werden. Es wäre fatal für alle, wenn Arbeitgeber und Dienstherren den Arbeitnehmern und Bediensteten deren Freizeitaktivitäten untersagen da diese irgendwann zu Risikoveranstaltungen zählen. Schon heute werden Arbeitnehmer und Bedienstete darauf hingewiesen das eigene Risiko entsprechend so zu minimieren, dass ein Ausfall vermieden werden kann.
Daher halte ich es für angebracht Infektionsschutz mit der Notwendigkeit des Brandschutzes und des Hygieneschutzes gleich zu setzen und entsprechend zu handeln. Wirtschaftliche Überlegungen sind als Entscheidungsgrundlage, nach der heutigen Bewertung des Infektionsrisikos und den daraus resultierenden Schäden, hintenanzustellen.

In einer Zusammenfassung bei der „Risikobewertung von Probenräumen für Chöre hinsichtlich virenbeladenen Aerosolen“ (https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/wp-content/uploads/sites/154/2020/07/hartmann_etal_2020_chor.pdf vom 6.Juli 2020) ist formuliert: „Es wird deutlich, dass Fensterlüftung unter Umständen nicht ausreichend sein kann, um das Infektionsrisiko über Aerosole signifikant zu senken und eine trügerische Sicherheit entstehen kann. Es bleibt bei Fensterlüftung für den Nutzer in der Regel völlig unklar, wie hoch der Volumenstrom an Frischluft ist, der durch ein geöffnetes Fenster in den Raum gelangt. Dies hängt maßgeblich von der Temperaturdifferenz zwischen Innen-und Außentemperatur und der außen vorherrschenden Windgeschwindigkeit ab. Lediglich mit maschinell betriebenen Lüftungsanlagen (Außenluft) lassen sich Risiken in den Griff bekommen.“ Ein Vergleich zwischen Büro- und Chortätigkeit zeigt, dass Chorgesang unter Umständen zu einer geringeren Aerosolkonzentration neigt als ein Büro mit Fensterlüftung oder maschineller Lüftung. Dabei spielt die Raumgröße eine wesentliche Rolle. Da in Schulklassenzimmern ebenso viele Personen ohne den einzuhaltenden Abstand sitzen ist auch hier mit einer höheren Aerosolbelastung zu rechnen als bei einem großen Raum in dem Sänger mit Sicherheitsabstand zueinander stehend singen. So die Interpretation aus dieser Dokumentation. Des Weiteren wird aufgeführt, „dass im Chorprobenraum auch in der Pause trotz geöffneter Fenster nur ein geringer Abfall der Aerosolkonzentration zu erkennen ist und diese sehr schnell nach dem wieder Eintritt die maximale Konzentration aus dem Probenabschnitt vor der Pause übersteigt.“

Für eine erfolgreiche Stoßlüftung sind entsprechend Fensterflächen vorzuhalten. Die in manchen Schulen nicht eingehalten werden können. So besagt die ASR 3.6 (Arbeitsstättenrichtlinie) für Lüftungen, dass nach Tabelle 3 für Stoßlüftung mindestens eine Fensterfläche von 1,05m^2 pro 10m^2 Grundfläche zur Verfügung stehen sollte:
https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/pdf/ASR-A3-6.pdf?__blob=publicationFile
Ich bezweifle dass die Flächenanforderung an zu öffnenden Fenstern in allen Kemptener Schulen zur Verfügung steht.

Ebenso sind die vorgeschlagenen Lüftungszeiten für Besprechungsräume nach 20 min im Herbst für mindestens 5 min und im Winter für min. 3 min, knapper bemessen als ihre vorgeschlagenen Zeiten zur Lüftung von Klassenräumen in Ihrem Schreiben vom 27.8.2020. (Ebenso aus ASR3.6)

Prinzipiell kann eine gefährliche Spitzenbelastung durch virenbelastete Aerosole nur durch eine kontinuierliche Belüftung der Räumlichkeiten vermieden werden. Sollte die Fensterlüftung einmal nicht im Zeitrahmen erfolgen führt eine kurzfristige Spitzenbelastung durch mit Vieren belasteten Aerosolen dennoch zur Infektion.

 

Daher stelle ich nun folgende weitere Anträge:

  1. Einbezug der Schulen an denen die Stadt über Zweckverbände Schulaufwandsträger ist bei der Bestandsaufnahme über die Ausstattung und des Zustands mit Raumluftanlagen.
  2. Ausstattung aller Räumlichkeiten der Schulen mit Feuchtigkeitssensoren und CO2-Ampeln, die ein Überwachen der Luftfeuchtigkeit und des CO2-Gehalt ermöglichen, auch in Schulen bei denen die Stadt über Zweckverbände Sachaufwandsträger ist.
  3. Findung pragmatischer Lösungen zum Gesundheitsschutz durch aktive oder passive dauerhafte Lüftungsmaßnahmen, die das Infektionsrisiko sinnvoll, unter Beachtung der Strömungsrichtung, minimieren. Dies ist im insbesondere bei Schulen und Wirkstätten von Gruppen zu veranlassen in denen keine aktive Raumluftanlage vorhanden ist. Auch hier für alle Schulen und Schulen in Zweckverbänden bei denen die Stadt Kempten Sachaufwandsträger ist.
  4. Bereitstellung von geeigneten zwangsbelüfteten Räumlichkeiten für Orchester, Musikvereinen und weiteren Vereine im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich.

Ich verbleiben mit freundlichen Grüßen
Franz Josef Natterer-Babych

 

Literaturquellen:

  1. https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/pdf/ASR-A3-6.pdf?__blob=publicationFile
  2. https://www.tu.berlin/ueber-die-tu-berlin/profil/pressemitteilungen-nachrichten/2020/august/coronavirus-richtig-lueften-will-gelernt-sein/
  3. https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/2020/08/10/coronavirus-richtig-lueften-will-gelernt-sein/
  4. https://www.tu.berlin/forschen/themenportal-forschen/2020/august/faq-zu-aersolen-in-bezug-auf-sars-cov-2/
  5. https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/wp-content/uploads/sites/154/2020/07/hartmann_etal_2020_chor.pdf
  6. https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/
  7. Allgäuer Zeitung – Wochenend Journal (Wissen) vom 29.08.2020 – Seite V3
  8. https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/toedliches-concertgebouwchorkonzert-100.html  vom 15.5.2020
  9. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112861/SARS-CoV-2-Wie-ein-Saenger-(fast)-den-gesamten-Chor-angesteckt-hat  vom 14.05.2020
  10. https://www.fuldaerzeitung.de/kinzigtal/coronavirus-baptisten-frankfurt-gemeinde-gottesdienst-kirche-ansteckung-main-kinzig-bremerhaven-90002032.html  vom 6.6.2020
  11. https://www.hessenschau.de/gesellschaft/ein-gottesdienst---zahlreiche-infektionen-in-mehreren-landkreisen,corona-spot-baptisten-kirche-100.html  vom 23.05.2020
  12. https://www.deutschlandfunk.de/technik-fuer-choere-sicher-singen-mit-abluftanlage.1993.de.html?dram:article_id=478250  vom 8.6.2020